1000 Places to See Before You Die
Haufenweise Ideen für Ausflüge in Deutschland, der Schweiz und Österreich
Das Buch ist dick, vergleichbar mit Schätzings Schwarm, und lockt mit einem zwar Englischen, aber eingängigen Titel: »1000 Orte die du gesehen haben musst, bevor du stirbst« (kommt in Deutsch offensichtlich nicht so gut). Im Grunde hätte die Zeile »1000 Places to see« ausgereicht um zu verdeutlichen, dass hier 1000 sehenswerte Orte weltweit vorgestellt werden.
Aber man wollte es provokant: »Before You Die« erinnert an die eigene Sterblichkeit, macht auf die eigene Trägheit aufmerksam und natürlich auf die Tatsache, dass man - als normaler Mensch - innerhalb der individuell zur Verfügung stehenden Lebenszeit eben nicht dazu kommen wird, jene 1000 Orte zu Gesicht zu bekommen. Ein Marketing-Trick: mit dem Kauf des Buches stellt sich das beruhigende Gefühl ein, über all jene 1000 sehenswerten Orten zumindest etwas gelesen zu haben, bevor man stirbt.
Dass es mittlerweile ein Buch gibt, das 1000 lohnenswerte Orte allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz vorstellt ist nicht nur konsequent (auf dem Buchrücken ist sogar ein Logo mit dem Aufdruck »Ein 1000... before you die Buch«), sondern auch irgendwie erleichternd, schließlich liegen davon schätzungsweise 50 in meiner unmittelbaren Reichweite und der Rest ist mit einer maximalen Entfernung von ca. 850 km Luftlinie ebenfalls ein realistisches Ziel. Ein Pensum, das man in einem Leben mit entsprechender Planung schaffen kann.
Pro Doppelseite werden hier im Schnitt zwei Orte aufgelistet, darunter selten Städte oder Ortschaften als Ganzes, sondern vielmehr Museen, Restaurants, Hotels, Altststädte, Seen, Tunnel, Kirchen, terminahängige Feste, Wälder, Opern, Kloster ... Mit meinem Bundesland Baden-Württemberg fängt alles an, und immerhin drei Orte von 1000 liegen nur ein paar Gehminuten von mir enfternt.
Es folgen in alphabetischer Reihenfolge die anderen Bundesländer, dasselbe gilt für Österreich und die Kantone der Schweiz. Darin sind wiederum auch die Städte und Regionen, in denen die 1000 Orte angesiedelt sind, in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet.Die Kurzartikel folgen alle demselben Prinzip: eine kleine Anmerkung oberhalb des Orstnamen soll diesen in wenigen Worten einfallsreich-amüsant zusammenfassen (z.B. »Im Namen der Rose« für den Hildesheimer Dom oder »Wie die Knochen gebrochen wurden« fürs Wiener Kriminalmuseum), darunter ist die zweispaltige Ortsbeschreibung angelegt, die mittels Fakten, Anekdoten und schöngeistiger Romantik den Ort anschaulich und unterhaltsam darstellen möchte, meist nebst einem kleinen Foto. Der Text schließt ab mit den Kontaktdaten des jeweiligen Ortes.
Zum eiligen Überfliegen sind die Artikel nicht geeignet. Die Verknüpfung von Schöngeist und Wissen wirkt mitunter sehr gewollt und umständlich. Als Beispiel greife ich einmal den Beschreibungstext eines »meiner« unmittelbaren Orte heraus, der die herrschende Atmosphäre wortreich anpreist: »Freiburger Münster. Wer sich an einem der Markttage, die seit 1800 auf dem Münsterplatz abgehalten werden, an Obst-, Gemüse- und Blumenständen, Touristen und Markthändlern vorbei windet und durchs mächtige Portal aus rotem Sandstein das Freiburger Münster betritt, gerät in die Stille. Der Trubel draußen, die entzückten Ausrufe der Zugereisten, die über die den Platz säumenden alten Gebäude - das rote Kaufhaus mit Laubengang und Staffelgiebeln von 1532, das Wenzingerhaus mit dem Museum für Stadtgeschichte, das Kornhaus, und all diese Bauten flankiert von Erkern mit spitzen Helmen - staunen, sind auf einmal weit weg.«
Wer hat eigentlich, abgesehen von rastlosen Weltenbummlern, Verwendung für dieses Buch, das verhältnismäßig wenig Sehenswertes in einer Region empfiehlt, und verhältnismäßig wenig zu einem Ort zu sagen vermag?Sehen wir es einmal so: es füllt mit seinen 5 cm Buchrücken das leere Bücherregal, provoziert den Betrachter desselben mit dessen Sterblickeit und zeigt dabei auf unkonventionelle Weise, was es in (un)mittelbarer geographischer Nähe für sehenswerte Ausflugsziele gibt.
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