China-Schock, Der

Frank Sieren erzählt in Tagebuchform, wie Peking sich die Welt gefügig macht

Die BRIC Länder - im kollektiven Bewusstsein noch immer unter dritte Welt und Entwicklungsland abgelegt - Brasilien, Russland, Indien und vor allem China, bestimmen die Weltwirtschaft mit. China, von dessen Menschenrechtsverletzungen man täglich lesen kann, und außerdem von Raubkopien und Umweltverschmutzung ...Ausgerechnet dieses Land, das scheinbar ohne unsere Werte auskommt, soll derat erfolgreich sein und mit seinem rasanten Aufstieg zum Abstieg des Westens führen? Antworten auf die Fragen, was hinter diesen Voraussagen steckt und was wirklich zu befürchten ist, erhoffe ich mir von diesem Buch.

Frank Sieren Autor ist gnadenlos. Keine Beschwichtigungen, sondern nichts weniger als den sicheren Niedergang des Westens prophezeit er, den Abstieg der USA und Europa. Aber darüber müsse man sich nicht wundern, denn das sei das ganz normale Auf und Ab der Geschichte, was er am Untergang Venedigs als Welthandelsstadt im 16. Jahrhundert und an der wirtschaftlichen Niederlage der Weltmacht Großbritanniens Anfang des 20. Jahrhunderts illustriert. Oder am tiefen Fall in die Bedeutungslosigkeit des deutschen Adels, für die sich schließlich »nur noch die Illustrierte Gala« interessierte. Gewöhnlich sei, dass die jeweiligen Eliten nicht immer oben bleiben können, schreibt er - »außergewöhnlich hingegen ist die Dimension dieses epochalen Wandels«, auf globaler Ebene. Dass es passiert scheint also klar. Bleibt die Frage: wie schnell wird es gehen? Wie hart wird es uns treffen?

Sieren hat Antworten parat. Und unterhalb seines Autorenfotos finden sich finden sich genügend Referenzen, die seine Antworten glaubwürdig machen: Wirtschaftsjournalist, lebt seit 1994 in Peking, ausgewiesener China-Spezialist. Er ist für seine Recherchen in jedes der Länder gereist, die er hier im Zusammenhang mit China beschreibt, und er hat sich vor Ort über den asiatischen Riesen erkundigt, der sich hier seinen Weg bahnt: China in der Mongolei, China in Afika, China im Iran ...

China vollzieht seinen wirtschaftlichen Siegeszug um den Westen herum: nicht in den »gesättigten Markt« Deutschlands kaufen sie sich ein, sondern sie gehen den »Schleichweg« über den Osten und investieren in Entwicklungsländer um sich Rohstoffe zu sichern und politische Loyalität zu erlangen. China hält sich nicht mit Werten auf - ihm ist es egal, ob ein afrikanischer Diktator nicht in ein ethisches Raster passt, China ist am Geschäft interessiert, nicht an institutionellen Standards und Moral.

Sieren schreibt ehrfurchtslos und sachlich, er packt seine Fakten nicht nur in Zahlen, sondern schildert sie anschaulich, was das Buch trotz Fachwörtern und wirtschaftlichem »Insiderwissen« auch für Laien wie mich verständlich macht. Im Präsens und als Ich-Erzähler erzählt er in Tagebuch-Form: er reflektiert während Flugreisen und trägt den Konsens von Gesprächen zusammen, wobei auch das scheinbar Nebensächliche, das Atmosphärische und das Zwischenmenschliche einen wichtigen Stellenwert hat. Wie im Gespräch mit einem chinesischen Bauleiter im Sudan: »Seine zweijährige Tochter will auf seinen Schoß. Er nimmt sie hoch. Im Vergleich zu ihm hat sie helle Haut: »Ich lasse sie nie rausgehen. Hier ist es zu heiß, und sie könnte zu dunkel werden.« Er fragt mich, ob ich zum Essen bleiben will. Ein chinesisches Essen in der Fremde ist verlockend. Doch ich muss meine Interviews aufarbeiten, bevor ich den Überblick verliere. Es wird Kebap im Hotelzimmer geben.«

China-Schock, Der
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