Der Alltag im Mittelalter
Detailliertes vom alltäglichen Leben der Adligen, Kleriker, Mönche, Nonnen, Bürger und Bauern - das Sexleben der Kleriker und andere pikante Details
"Warum stopfen die Autoren, die im BoD-Verlag veröffentlichen, immer den Beschreibungstext des Einbands so voll? 3mm Platz rechts und links, eine anstrengende, flimmernde Schriftart, pixelig weiß auf dunklem Hintergrund. Kein guter erster Eindruck, noch bevor ich das gelesen habe, was mir ja eigentlich Lust auf das Buch machen soll.
Wie der Alltag im Mittelalter »wirklich« war, möchte die Autorin erzählen, vom »alltäglichen Leben der Adligen, Kleriker, Mönche und Nonnen, der reichen und armen Bürger und der Bauern«. Die Leser sollen mit deren Wohnstätten vertraut gemacht werden, die Mode der Stände sollen erklärt, ein Blick in die Kochtöpfe geworfen werden. Der letzte Satz macht neugierig: »Und selbstverständlich kommt in diesem Werk die Liebe ebenfalls nicht zu kurz«.
Maike Vogt-Lüerssen hat Geschichtswissenschaft, Biologie und Pädagogik studiert. Das setze ich voraus, was ich hier lerne und mir merke soll »alltagstauglich« sein, ich möchte mich darauf beziehen können. Dass ein geschichtswissenschaftlich ausgebildeter Lektor drübergeschaut hat, ist beim Book-on-Demand-Verfahren nicht garantiert.
Lesbar ist das Buch aber wirklich uneingeschränkt. Es hat nicht den Anspruch, etwas zur geschichtswissenschaftlichen Forschung beizutragen, sondern möchte interessierten Laien einen verständlichen Einblick in den mittelalterlichen Alltag bieten. Einfache Sätze, kaum Fachwörter, durchsetzt von persönlichen Kommentaren und rhetorischen Fragen. »Ob das die richtige Lösung war?«, wundert sich die Autorin, als sie von der Selbstkastration eines Kirchenmannes berichtet, der sich so von sexueller Versuchung heilen wollte.
Ja, und die Natur machte (und macht) den katholischen Geistlichen wirklich schwer zu schaffen. Anstatt sich Gott vollkommen und ganz widmen zu können, mussten (und müssen) sie ständig gegen ihre sexuellen Regungen ankämpfen. So geißelten sich einige Kirchenmänner und Kirchenfrauen morgens und abends, um sich ihre Lustgefühle regelrecht auszupeitschen. Wer trotzdem zur Masturbation griff und erwischt wurde, musste befürchten, in den Laienstand zurückgesetzt zu werden.
Ausgeprägtes Hintergrundwissen und Fachwortschatz sind keine Voraussetzung, zumal es ein Glossar gibt. Wer den einen oder anderen historischen Roman gelesen hat, findet sich gut zurecht. Maike Vogt-Lüerssens Buch macht einen rechtschaffenden, seriösen Eindruck. Sie beschreibt den mittelalterlichen Alltag nicht sehr spannend, dafür umso detaillierter: sei es die Länge des durschnittlichen Schulunterrichts, die Zusammensetzung und Kombinationsmöglichkeiten von Kleidungsstoffen, die individuellen Bestrafungsmethoden, der Verzehr von Fleisch im Verhältnis zu Obst und Gemüse, das Fächerspektrum an den Unversitäten, die durch die Syphillis ausgelösten Hautgeschwüre am Penis - dankbarerweise mit Abbildung, das alles begleitet von vielen Auszügen und Zitaten aus geschichtswissenschaftlichen Quellen.
Nicht so rechtschaffend und seriös finde ich die Vergabe von fünf Amazon-Bewertungssternen an sich selbst, auch wenn die Autorin kein Geheimnis daraus macht (andere Autoren nehmen zum gleichen Zweck Decknamen an). Großen Nutzen vom Buch hat sicherlich, wer mit dem Gedanken spielt, selbst einen historischen Roman zu schreiben. Eine Nürnberger Stadtführerin spricht in einer Amazon-Rezension ebenfalls ihre Empfehlung aus - es bleiben wohl nur wenige Detailfragen unbeantwortet.
- Veröffentlicht:
- Medium:
- Buch
- Autor:
- Maike Vogt-Lüerssen
- Verlag:
- BoD