Die Chefin

"Was ist das für ein Cover - ist das die Autorin? Eine angriffslustige Dame im kurzen Kleid, rosane Ballerina-Stilettos (großes Bild). Samt Titel wirkt das erstmal, als habe man das Buch einer Domina vor sich. Als zeige das Buch, wie man Chefin eines Plüsch-Bordells wird. Ich wähne mich weder prüde noch konservativ - aber ist es nicht genau das, was man (als Frau) verhindern möchte - nämlich auf die Sexualität reduziert zu werden?

Eines ist der Autorin mit diesem Foto (das, so habe ich von ihr persönlich erfahren, tatsächlich sie selbst darstellt) gelungen: es ist ein Blickfang (die Webseite). Und würde der Untertitel statt »Der Weg zur eigenen Existenz« lauten: »Frauen über 50 sind sexy«, dann wäre das Foto gut gewählt. So aber könnte das Anliegen des Buches, nämlich Frauen die »Fähigkeiten des Business von morgen« nahezubringen, nicht missverständlicher übermittelt sein.

Es geht eher unangenehm weiter: kursive Schrift im ganzen Buch. Das strengt mich tierisch an. Auch wurde bei der Verwendung von Blocksatz darauf verzichtet, die automatische Silbentrennung zu aktivieren, was zur Folge hat, dass sich einige Zeilen gewaltig auseinanderziehen. Zusammenfassend: ganz schlecht lesbarer Text. Ganz gut gefällt mir die Aufteilung der Seiten, dreiviertel beschrieben, zweispaltig.

Die Rahmenbedingungen sind dubios - die Aufmerksamkeit gilt nun dem Inhalt

Sonja Becker beginnt ihr Werk mit der Beschreibung einer Geschäftsidee von Jacqueline Kennedy. Klingt interessant, aber es fehlen Klarheit und der rote Faden, außerdem springt sie in den Zeiten: erst »ging« Frau Kennedy ihrer Wege, dann »beschließt« sie etwas, »setzte« sich anschließend in ein Zimmer, um daraufhin einen Führer zu »produzieren«. Frau Becker, entscheiden Sie sich - Präsens oder Präteritum?

Lasse ich also auch den Stil außer Acht und konzentriere mich nur noch auf die Aussage - denn darin liegt die wahre Stärke des Buches. Speziell auf die Bedürfnisse der Frauen zugeschnitten, erklärt die Autorin Schritt für Schritt den Weg zur erfolgreichen Existenz. Das macht sie ehrlich und überzeugend. Dieses Buch ist in einem Verlag erschienen, in dem die Autoren selbst für Gestaltung und Lektorart zuständig sind. Umschlag überdenken, professionell Korrektur lesen lassen, Typografie nach dem Leitsatz »optimale Lesbarkeit steht immer an erster Stelle« umsetzen. Dann kann ich das Buch auch empfehlen.