Filmkomödie der Gegenwart, Die
Der Humanismus von Das Leben ist schön, das Nostalgische in Good Bye Lenin
Auf dem kleinen Szenenausschnitt auf dem Umschlag schaut Amélie erwartungsvoll hinter den Betrachter auf die Kinoleinwand, wo gerade Father's Little Dividend läuft. Sie sitzt in einem Kino mit klassisch rot gepolsterten Sesseln, und gleich wird sie sich vorlehnen und dem Zuschauer zuflüstern: »I like to turn around in the dark to see the faces of the people around. And I also like to spot the little detail nobody will ever see. But I don't like it when the driver doesn't watch the road.«
Als ich Trainspotting das erste Mal gesehen habe, hatte ich noch nie Alkohol getrunken und verstaute wohl gerade meine Barbiepuppen auf dem Dachboden, weil die nicht mehr zu meinem neuen altersgerechten Leben passten. Ich entdeckte Trainspotting auf einer Videokassette, aufgenommen als er im ersten Mal in Fernsehen lief. Plötzlich sah ich mich mit mageren Männern mit Augenringen konfrontiert, die sich freiwillig spritzten und nach Zäpfchen in der Toilette gruben, in die zuvor reingeschissen und reingekotzt wurde. In besonders grauenvoller Erinnerung habe ich die Szene mit dem toten Baby, das mechanisch wie eine Aufziehpuppe an der Decke entlang läuft und den Kopf um 180° dreht, das tote Gesicht eine vorgealterte Maske. Dass so ein Film unter dem Genre Komödie läuft habe ich erst Jahre später nach einem zweiten Anlauf nachvollziehen können, als ich selbst bereits (harmlose) Erfahrungen mit legalen und illegalen Genussmitteln und den Folgen gemacht hatte, ich die Ironie der Musik begriff und die Briten und die Regierungszeit Margaret Thatchers ein wenig kannte, als ich meinen Humor für das Makabere und Hintergründige entdeckt hatte.
Wie diese Komödien und andere unserer Zeit zu verstehen sind, welche Rolle etwa die Wahl der Musik oder die Art der Schnitttechnik spielt; wie und wieso Filme wie Lost in Translation oder Amélie wirken, erklären die ausführlichen Filmrezensionen, herausgegeben von Jörn Glasenapp und Claudia Lillge. Die groteske Fantasie in Being John Malkovich, das Tragikomische an About Schmidt, der Umgang mit Sozialphobie im Film Elling. Hier wird die »Frage nach dem Wesen des Gegenstands« gestellt, es wird diskutiert, es wird sich »auf eine lange Tradition literatur-, theater- und filmwissenschaftlicher Forschung bezogen«. Kurz: Es ist ein Studienbuch und so liest es sich auch. Anspruchsvoll, Nominalstil, zeilenlange Sätze voller Kommata und ohne Punkt, Fachtermini und mindestens eine Seite Anmerkungen und Quellenangaben im Anschluss. Das klingt dann immer ungefähr so: »Die Erzählung des Komischen scheint geradezu dazu prädestiniert, absonderlichen Auswüchsen des Zeitgeistes den Spiegel vorzuhalten.«
Das so hintereinander weg zu lesen macht nicht so viel Spaß. Ich habe es so gemacht: den jeweiligen Film angesehen und vorher, währenddessen und danach die entsprechende Filmdiskussion (mit ihrem Bezug auf ihre lange Tradition literatur-, theater- und filmwissenschaftlicher Forschung) gelesen. Das war gut.
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