Kamerabekenntnisse
Kamera als austauschbarer Faktor in der Filmproduktion? Bekenntnisse für die Erkenntnis
Als erstes fallen die Schauspieler auf. Ihre Gesichter, Ausstrahlung und Interpretation sind unmittelbar mit dem Film verbunden. Doch auch sie halten vor Szenenbeginn Skriptblätter in den Händen und versuchten die Figur, für deren Interpretation sie ausgewählt wurden, gut umzusetzen. Dabei hilft ihnen der Regisseur, der das Drehbuch umsetzt und Anweisungen an alle Beteiligten weitergibt.
Für einen Film benötigt man mindestens den Drehbuchschreiber, den Schauspieler, den Regisseur, den Produzenten und den Kameramann. Ohne talentierten Drehbuchschreiber kein Film, ohne charismatischen Schauspieler kein Motiv, ohne visionären Regisseur keine künstlerische Leitung, ohne Produzent kein Film. Am austauschbarsten erscheint da der Kameramann, schließlich richtet er die Kamera eben gerade so auf das Geschehen, wie es von ihm verlangt wird. Dachte ich jedenfalls, und wenn ich mich über einen Film informierte, dann missachtete ich den vermeintlich unbedeutenden Aspekt »Kamera« stets.
Aber warum, wenn der Kameramann austauschbar ist, sprechen Regisseure von ihrem Stamm-Kameramann? Und welche Existenzgrundlage haben Filmpreise für Beste Kamera? Gerade bin ich auf diese Kritik zum Film The Black Balloon gestoßen: »Die behutsame Kamera, die sich fast immer auf Augenhöhe der Protagonisten befindet, bleibt nah an den Figuren und lässt den Betrachter echte Anteilnahme spüren«.Was also machen Kameramänner? Sie schätzen das Equipment und Material und sie tragen die Verantwortung für die Bildkomposition, die Kameraführung und die Ausleuchtung.
Was sie zu ihrem Beruf, dem »Kamera machen«, zu erzählen haben, steht in den Kamerabekenntnissen. Mein Ziel war es, mir die Individualität eines Kameramanns und seine Unverzichtbarkeit im Filmteam verständlich zu machen.
Sieben der 20 Kapitel entstanden im Gespräch und wurden als Interview abgedruckt. Der Konsens des Gesprächs diente als Titel: z.B. »Der Kameramann ist der Fokuspunkt der Filmproduktion«. Literarischer klingen die Titel der selbstgeschriebenen Berichte. Von nüchternem Realismus (»Ich muss Kameramann werden« oder »Wie verhalte ich mich wann?«) bis zu tiefsinnigen und doppeldeutigen Titeln (»Kein Licht ohne Schatten«, »Im Grunde ist die Wüste Schuld« und »Keine Einstellung ohne Einstellung«) ist alles dabei. Auch sehr schön: »Von da an begegnet mir Licht an jedem Tag, überall.«
Vor jedem Kamerabekenntnis ist ein Foto und eine Kurzbiographie abgedruckt, die den oft ungewöhnlichen Werdegang beschreibt. Dem studierten Kunstpädagogen Tom Fährmann »hört« man seine Ausbildung ebenso an wie dem studierten Physiker Jörg Schmidt Reitwein. Die 20 »Kameramacher« erzählen von ihrer ersten Begegnung mit einer Kamera, von den Umständen, wie sie zur Filmindustrie kamen, von den Intentionen ihrer Bilder und von der Relevanz ihres Berufs.
Nach 320 Seiten Kamerabekenntnisse bin ich um einige Einsichten reicher. Wenn ich mich in Zukunft über die Hintergründe eines Films erkundige, werde ich auch den Abschnitt »Kamera« mit mehr Aufmerksamkeit lesen. Und jeden Film mit etwas anderen Augen sehen - durch das Motiv des Kameramanns.
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