Neue deutsche Literaturgeschichte
Peter J. Brenner bietet Studenten einen kompakten ersten Eindruck
Wissenschaft ist Strukturieren und Ordnen. Dem Prinzip folgte schon Aristoteles, als er mit der Poetik die Dichtung klassifizierte. Ein kurzer, äußerst wirkungsvoller Text, der Aristoteles zu einer fundamentalen Person der deutschen Literaturgeschichte macht - als ein Teil einer unheimlich komplexen Geschichte, die viele Wissenschaftler rückblickend zu strukturieren versuchten. Literaturgeschichte ist ein Konstrukt, das aus strenger Selektion entsteht. Der Leser einer Literaturgeschichte sollte daher eine kritische Distanz bewahren, denn keine Literaturgeschichte ist frei von Wertvorstellungen des Autors und Ideologien ihrer Entstehungszeit.
Um als Student einen eingermaßen objektiven Blick auf die Literaturgeschichte zu erhalten, müsste man möglichst viele verschiedene Literaturgeschichten lesen - historische und aktuelle, von Deutschen verfasste, oder welche von Autoren, die unsere Literaturgeschichte mit der kritischen Distanz einer anderen Nationalität betrachten.
Als allererste Literaturgeschichte im Leben des Studenten eignet sich Peter J. Brenners Neue deutsche Literaturgeschichte. Recht kompakt erzählt der Autor die Geschichte der Literatur von 1400 bis zur Jahrtausendwende nach, orientiert an den zwölf Hauptepochen von Frühe Neuzeit bis Gegenwart und unter Berücksichtigung von kulturellen und sozialen Einflüssen. Worauf diese Darstellung der Literaturgeschichte komplett verzichtet, sind Bilder und Zitate. Inhaltsangaben sind - falls überhaupt vorhanden - sehr knapp. Ein Hinweis darauf, dass das Lesen einer Literaturgeschichte nicht das Lesen der Primärliteratur ersetzen kann, den Werken selbst.
Auch diese über 300 Seiten umfassende Literaturgeschichte will nur eine Einführung sein und stellt eine individuelle Selektion des Autors dar. Dabei ist diese Literaturgeschichte - sowohl sprachlich als auch den Umfang betreffend - nicht erschlagend und somit für den Einstieg ideal. Wie sehr man sich anschließend »in die Tiefe« lesen kann (und sollte ...), lässt die 35-Seitige, eng beschriebene Bibliographie erahnen.
Mit ein wenig geschichtlichen und literarischen »Grundkenntnissen« und einem Grundrepertoire an Fachwörtern wird man mit dieser Literaturgeschichte sehr gut zurecht kommen. Ausgestattet mit diesem ersten Eindruck kann man dann zu anderen Betrachtungen greifen: Metzlers Literaturgeschichte zum Beispiel, die reich mit Grafiken ausgestattet wurde und dem politischen und historischen Kontext besondere Aufmerksamkeit schenkt, oder die Kleine deutsche Literaturgeschichte von Nicholas Boyle.
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