Physik für die Westentasche
Harald Lesch und das Quot-Team erklären Physik. Hab ichs begriffen?
Physik für die Westentasche - was heißt das eigentlich? Dass dieses (Hör)buch quantitativ gerade so viel Physik bietet, dass es in die Tasche passt? »Gelesen und spritzig kommentiert« werden soll das jedenfalls von Harald Lesch, einem Professor für theoretische Astrophysik an der LMU-München (der verheerende Ähnlichkeit mit meinem ehemaligem Mathematiklehrer aufweist). Der Fairness wegen muss ich gestehen: Ich habe Physik in der Schule bei erster Gelegenheit abgemeldet. Entsetzte Blicke habe ich einmal geerntet, als ich anno Abitursjahr nicht sagen konnte, was Zentrifugalkraft ist.
Aber ich denke mit diesen Voraussetzungen passe ich ideal in die Gruppe Menschen, die Lesch ansprechen möchte: Denn obwohl die »mannigfaltigen Wissensbereiche der Physik« Grundlage für unsere heutige technologie-dominierte Gesellschaft sei, »wollen sich viele Menschen nicht mit dieser Wissenschaft beschäftigen« (»beschäftigen« wird besonders verwundert betont). Lesch vermutet den Grund darin, dass man ja als Physiker enden könne: »verrückt, einsam und mit einer Frisur wie Einstein« (ein Aspekt meiner Physikaversion, die mich bislang wirklich noch nicht beschäftigte). An diesem Image seien die Physiker aber selbst schuld: Mathematik als Grundlage schließe »einen Großteil der Mitmenschen vom Verständnis physikalischer Vorgänge aus«. Diese Feststellung suggeriert, dass Lesch es besser machen wolle, um eben diesen ausgeschlossenen Großteil hiermit einzuschließen.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich seit meinem Abitur darum bemüht habe, meine (sehr!) kümmerlichen Physik-Kenntnisse zu erweitern. Ich habe mich in Bill Brysons »Eine kurze Geschichte von fast allem« reingelesen, war fasziniert aber hoffnungslos überfordert mit der Aussage»Jeder Atemzug den Sie machen enthält ein Atom, das Marilyn Monroe ausgeatmet hat« des Buches »Warum Gott doch würfelt«. Von Harald Lesch habe ich mir nun endlich die erhoffte physikalische Erleuchtung versprochen.
Dass es auch diesmal eng wird, wurde schnell klar. Im Grunde schon bei der Aussage, das Titelbild stelle ein »allen vertrautes physikalisches Motiv dar«, fühlte ich mich wieder »ausgeschlossen«. Klar hatte ich schon mal einen Magneten in der Hand. Aber dass die lustigen pinken Kreis einen Magneten mit Feldlinien darstellen, hätte ich nie erkannt. Während ich mich dann über die laiengerechten Einstieg ins erste Kapitel freue (es wird aufgezählt, wo Strahlung überall zum Einsatz kommt), stürze ich einige Sekunden später tief dank Sätzen wie »Als Anhaltspunkt kann dabei gelten, dass sich die Wirkung der Strahlung in Größenordnung ihrer eigenen Wellenlänge abspielt«. Ein beispielhafter Vertreter des Nominalstils, und ein Satz, den ich fünf Mal lesen/hören kann, und ihn immer noch nicht begreife. Da kann Professor Lesch noch so einfühlsam und langsam reden, und da hilft auch keiner der versprochenen (eigentlich nicht so) spritzigen Kommentare wie: »dass Sie mich jetzt hören können [...] hat 'was mit Strahlung zu tun, Sie werden es kaum glauben«.
Weitere Kapitel befassen sich u.a. mit Reibung, Ladung, Energie oder Interferenz auf der ersten CD, es folgen Schwarze Löcher, Zeit oder Gravitation auf CD 2 und schließlich Quarks, Laser oder Bosonen. Noch bin ich nicht über die erste CD hinausgekommen, noch habe ich selbst Kapitel 1 noch nicht in aller Form begriffen. Was das über mich aussagt? Eventuell, dass mir der Zugang zur Naturwissenschaft auf ewig verschlossen bleibt. Der Aussage von Bayern2Radio: »Man braucht kein Vorwissen, um sich diesem Gang durch die Wunderwelt der Physik anzuschließen« kann ich mich jedenfalls nicht anschließen. Aber: ich gebe nicht auf und höre es wieder und wieder, bis irgendwann vielleicht doch ein physikalischer Erkenntnisstrahl das »Sehpurpur meiner Augen« erreicht.
All jene, die damals Physik nicht abwählten bzw. kein Problem mit dem physikalischen Grundwortschatz aufweisen und die vorhandene Kenntnis erweitern wollen, macht dieses gleichmäßig gesprochene, mit Wissen vollgepackte Hörbuch im Vorlesungcharakter wirklich klüger.
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