Postmediale Wirklichkeiten
Wie Zukunftsmedien die Gesellschaft verändern. Verliebtheit in Avatare, zukünftige Medienmärkte und künstlerische Interpretation
"Ende der Neunziger erschien im Stern eine Karikatur von Haderer, ein Geschäftsmann presste sich verkrampft ein wenige Zentimeter großes Handy ans Ohr. Die wurden damals immer kleiner, und Haderer setzte diesen Trend spöttisch fort, und wirklich dachten wir damals, dass es so kommn könnte. Große Handys galten als uncool - meins (konnte nichts als Telefonieren bei einer Batterielaufzeit von einer halben Stunde) trug aufgrund seiner Größe den Namen »Totschläger«.
Heute füllt das Handy wieder die ganze Hand aus, kann telefonieren, Videos auf einem 3,5"-Bildschirm abspielen, kann GMS und Rich-HTML-E-Mail und kann via Applikationen eigentlich auch alles andere vor- und unvorstellbare auch, zum Beispiel Lieder erkennen - man muss das Handy nur an die Musikquelle halten. Und selbst das ist längst schon wieder alter Kaffee. Das alles ist in gerade einmal zehn Jahren so gekommen. Hat man das vorhersehen können?
»Wir brauchen Konzepte einer wirklich interaktiven Medialität, nicht eine von Technokrakten vorinterpretierte virtuelle Realität mit virtuellem Sex.«
Das Buch Postmediale Wirklichkeiten: Wie Zukunftsmedien die Gesellschaft verändern stellt sich die Frage nach der Zukunft der Medien. »Das iPhone als 'Fototelefoninternetallesverbinder', mit dem man die gesamte Welt in den Händen hält, entzückt und zeugt vom Eros der Technik. Sehen so schon die Medien der Zukunft aus? Oder wird es möglicherweise radikal andere Medien und Gebrauchsweisen geben?«
Das Buch präsentiert eine Sammlung von Artikeln, basierend auf einem Forschungscluster der Fakultät Digitale Medien der Uni Furtwangen. Verschiedene Autoren tragen ihre Ideen und Vorstellungen mit verschiedenen wissenschaftlichen Blickwinkeln bei, humanistisch mit Blick auf die Zukunft des Menschen unter den Bedingungen zunehmender Medialität, medienökonomisch basierend auf den Erkenntnissen der Entwicklungen von Web 2.0. Die Soziologie überlegt, wie die Erlebnisgesellschaft mit virtuellen Charakteren als Identifikationscharakteren umgeht und wie der urbane, öffentliche Raum von Überwachsungstechnologien durchdrungen wird. Auch nicht fehlen darf eine Kontroverse zur künstlichen Intelligenz: wie werden wir mit Computer interagieren und werden sie eine eigene Intelligenz entwickeln?Weitere Beiträge schöpfen sich aus den Fachbereichen Philosophie, Technik, Informatik, Didaktik, Gestaltung und Design.
Sämtliche Beiträge sind wunderbarer Stoff für Science-Fiction-Thriller, auf die die Autoren auch gerne Bezug nehmen: wie die körperliche Interaktion zur Steuerung im Film Minority Report oder die körperliche Interaktion mit einer Androidin (auf etwas anderer Ebene) im Film Blade Runner.Es sind wissenschaftliche Fachartikel, weshalb der Verlag als Leser die Gruppen »medienpolitisch und medientheoretisch Interessierte« und »Studierende/ Lehrende in Medien- und Kulturwissenschaften« umreißt. Das liest sich zum Beispiel so: »Der neue homo technicus hat die Chance, nicht zuletzt aufgrund der technologischen Transformation bisheriger technologischer Medialität zu einem neuen, nicht natural, sondern technologisch verstandenem Humanismus zu finden, der nur für traditionell-konservative und romantische Interpretationsgewohnheiten posthuman ist.«
Mitdiskutieren kann man auf postmedialitaet.de, die Universität stellt auch Videobeiträge der Ringvorlesung bereit.
- Veröffentlicht:
- Autor:
- Stefan Selke, Ullrich Dittler
- Verlag:
- Heise
- Kommentar:
- Ideen und Diskussionen. Zukünftige Medien und ihre Folgen für Mensch und Gesellschaft
- isbn:
- 3936931631 Bei Amazon kaufen